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Banteay Chhmar

 

The German Angkor Illustration Project

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Banteay Chhmar

Banteay Chhmar ("enge Burg") im äußersten Nordwesten von Kambodscha ist der zweitgrößte Steinbau der alten Khmer, nur Angkor Wat hat noch mehr Masse.

Banteay Chhmar ist einer der beiden riesigen Tempelanlagen außerhalb von Angkor, die von Kambodschas eifrigstem Bauherrn errichtet wurden, Jayavarman VII. (1181-ca. 1218). Die andere ist Prasat Bakan (auch Preah Khan Kompong Svay genannt), das von diesem König umgebaut wurde. Diese beiden Monumente sind die einzigen Bauwerke außerhalb Angkors, die jene geheimnisvollen Gesichter-Türme aufweisen, die für die buddhistischen Ära typisch sind. Insbesondere Jayavarmans neue Hauptstadt Angkor Thom, ihre Stadttore und ihr zentraler Tempel Bayon, sind weltberühmt für diese monumentalen lächelnden Gesichter von Buddhas (oder Bodhisattvas), die an den oberen Gebäudeteilen in die vier Himmelsrichtungen blicken.

Darüber hinaus hat Banteay Chhmar eine äußere Galerie, die der von Angkor Thoms Reichstempel Bayon sehr ähnlich ist, verziert mit Basreliefs, die paradierende Truppen, Schlachten und religiöse Motive ebenso darstellen wie das alltägliche Leben der Khmer.

Banteay Chhmar wurde an der Stelle eines Hinduheiligtums des neunten Jahrhunderts errichtet, das dem halb-legendarischen Gründer des Angkor-Reichs, Jayavarman II. zugeschrieben wird. Die gleichzeitige Weihung von Jayavarmans VII. buddhistischem Komplex an Hindu-Gottheiten zeigt die religiöse Toleranz dieses buddhistischen Königs zur Zeit der Erbauung. Banteay Chhmars zenraler Schrein enthielt einst ein Bildnis des Kronprinzen, der wahrscheinlich sein Sohn war, und, in den umgebenden Ecken, von vier loyalen Gefolgsleuten. Einer detailreichen Inschrift (K.227) zufolge, die in der Sprache der Khmer verfasst war, verloren diese vier ergebenen Generäle des Prinzen ihr Leben bei seiner Verteidigung gegen die Armeen der feindlichen Cham.

Der Komplex ist nach Osten orientiert. Östlich des Haupt-Heiligtums gab es einen Baray mit einem Mebon-Tempel auf einer zentralen Insel. Das Reservoir, das nun ausgetrocknet ist, war etwa 1,6 km und 0,6 km breit. Banteay Chhmar war umgeben von einigen weiteren buddhistischen Tempeln, angeordnet in einem auffällig regelmäßigen Schema. Erwähnenswert sind die in den vier Kardinalpunkten, da sie die hübschesten Beispiele für jene Gesichter-Türme bilden, die oben erwähnt wurden. (Weitere Gesichter-Türme überragen die inneren Galerien des Haupttempels.) Am besten erhalten ist Ta Prohm im Süden, am entlegensten ist Samnang Tasok im Dschungel im Westen, versteckt in einem Dickicht und nicht leicht zu finden. Nach Regenschauern kann Samnang Tasok zwar erreicht werden, aber Ihre Schuhe werden durchnässt sein.

Die Kernanlage von Banteay Chhmar hat drei Einfriedungen, wie üblich. Die äußerste (die als dritte gezählt wird) liegt in Trümmern, sie war umgeben von einem Wassergraben und misst 1900 m mal 1700 m. Wie Angkor Wat und Angkor Thom war Banteay Chmar ursprünglich eingeschlossen in eine ganze Stadt, mit dem 5 Hektar großen Haupttempel als ihrem Zentrum. Vier Inschriften-Stelen, die die Genealogie von Jayavarman VII. berichten, waren an den vier Ecken dieser äußeren Umfassungsmauer aufgestellt, wie im Falle der Hauptstadt Angkor Thom mit ihren vier Eck-Schreinen, die Prasat Chrung genannt werden.  

Die mittlere (zweite) Einfriedung, mit einem inneren Wassergraben, ist 850 m lang und 800 m beit. Die innere (erste) Einfriedung bildet die Galerie, die jene großformatigen Basreliefs trägt, die oben erwähnt wurden. Ihre Mauern sind 250 m lang und 200 m breit. Einige Teile sind eingestürzt oder wurden sogar absichtlich zerstört. Die Reliefbänder gehören zu den drei ausgedehntesten der Khmer-Geschichte, neben Angkor Wat und Bayon. Auf der Westseite sind zwei einzigartige Abbildungen von vielarmigen Lokeshvaras (Avalokitehwaras) erhalten. Sie wurden zu Wahrzeichen Banteay Chhmars. Ursprünglich gab es sechs weitere von ihnen, aber im Januar 1999 haben Kunsträuber ganze Abschnitte dieser Galeriemauer abgetragen, an denen sich diese außergewöhnlichen Werke der Khmer-Kunst befanden.

Innerhalb der ersten Einfriedung gibt es ein Wirrwarr von Türmen und Galerien, überzogen von tropischem Blattwerk und fast ohne Durchgangswege, aufgrund der Haufen von Steinen eingestürzter Bauten. Tatsächlich ist Banteay Chhmar ein "im Dschungel versunkener Tempel" par excellence. In dem gesamten labyrinthischen Komplex sind Überbleibsel von schönen Reliefs an den heruntergefallenen Steinen zu entdecken.

Banteay Chhmar wurde in großem Ausmaß geplündert, insbesondere während der Bürgerkriegszeit in den 1980er Jahren und der ersten Hälfter der 1990er, als dieses Gebiet nahe dem Hauptquartier der Guerilla der Roten Khmer lag. Außer dem Erpressen von Nahrung und Zahlungen von den Bauern war auch Kunstraub eine der Einnahmequellen der Guerilla-Armee der Roten Khmer. Aber Plünderungen gab es auch nach dem Bürgerkrieg, sogar durch Angehörige der regulären Streitkräfte, wegen der abgeschiedenen Lage von Banteay Chhmar und der Nähe zur thailändischen Grenze. Gestohlenes Eigentum der Khmer wird üblicherweise in Thailand verkauft. 2002 wurde der Tempel vom World Monument Fund immer noch als eine der am stärksten gefährdeten Kulturstätten der Welt gelistet.     

Nach dem Einsturz des südwestlichen Turms 2003 begann der World Monument Fund ein Forschungsprogramm, das eine Untersuchung der die Bausubstanz bedrohenden Vegetation einschloss. Dem WMF gelang es, private Fonds für die Entfernung der gefährlichsten Bäume anzulegen und Maßnahmen zur Verbesserung der Stabilität der verbliebenen Bauten durchzuführen und Ortsansässige als Denkmalschützer auszubilden.


Ernst Ando Sundermann


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